Unsere Geschichte

Betroffenheit und eine brennende Frage

Als Herzwerks Gründerin Rachel Zuch 1989 mit ihrem Mann für ihre Arbeit aus den USA nach Wien übersiedelten, fielen ihr die zahlreichen Bordelle und Studios auf, die sie überall in der Stadt sah. Auf dem Weg zur Volksschule ihrer Tochter kamen sie täglich an mehreren Bordellen vorbei und Rachel fragte sich, „Wer sind die Frauen, die hier arbeiten und wo kommen sie her?“, „Arbeiten sie freiwillig hier, oder was führte sie in die Prostitution?“.

Von diesen Fragen umgetrieben, begann Rachel Informationen zu sammeln, bis sie 2006 an einem Thementag der Diakonie zum Thema „Prostitution und Menschenhandel“ teilnahm. Hier gewann sie noch mehr Kenntnisse über die Situation der Frauen und Männer, die in Wien in der Prostitution tätig waren. In ihr wuchs die Vision, einen Verein zu gründen, der diesen Frauen und Männern ganzheitlich in ihren Bedürfnislagen begegnen sollte: Es sollte nicht allein um die Frage der Verbesserung von Arbeitsbedingungen gehen, sondern um die Frage „Was willst und brauchst du als Mensch?“.

Der Startschuss

Im Jänner 2007 initiierte Rachel einen Informationsabend, um mehr Menschen in ihrem Umfeld auf das Thema Prostitution und Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in Wien aufmerksam zu machen. Dies war der Startschuss für die Gründung von Herzwerk als Verein: Die Vereinsvision war, ein Angebot professioneller Beratung und Begleitung zu schaffen sowie die Geschichten und Bedürfnisse der KlientInnen, ihre Träume und Wünsche zu erfahren, um dann gemeinsam zu schauen, wo und wie Herzwerk Unterstützung leisten könnte. Hierfür wurden kleine Teams gegründet, die begannen, Frauen und Männer auf dem Wiener Straßenstrich mit heißem Kaffee und Schokolade zu besuchen. Die Grundlage der aufsuchenden Arbeit war gelegt.

Team und Engagement wachsen

Nach zwei Jahren aufsuchender Arbeit konnte 2009 dank eines Unterstützers im 16. Bezirk erstmals ein Herzwerk-Büro eingerichtet werden. Hier wurden ab sofort in einem geschützten Raum Gespräche und Sozialberatung angeboten. Das Herzwerk-Team wuchs und im Rahmen einer OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)-Konferenz zum Thema Menschenhandel in Wien begann auch Herzwerks politisches Engagement.

In den ersten Jahren begegnete Herzwerk neben Osteuropäerinnen vor allem Nigerianerinnen, die von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung betroffen waren. Das wachsende lokale sowie internationale Netzwerk von Herzwerk ermöglichte, diesen Betroffenen konkrete Unterstützung anzubieten. Zudem konnte Herzwerk Präventionsarbeit in Nigeria kennenlernen und fördern.

Neue Ideen und Projekte

Vier Jahre nach dem Bezug der ersten Büroräume war es 2013 an der Zeit, in ein größeres Büro zu übersiedeln. In der Beheimgasse 1 im 17. Bezirk fand Herzwerk nicht nur das, sondern außerdem den Platz, um einen wöchentlichen “Treffpunkt” anbieten zu können: Hier konnten sich Frauen und Männer aus der Prostitution einmal pro Woche mit Herzwerk-Mitarbeitenden auf einen Kaffee und Kuchen treffen, oder für sozialarbeiterische Beratung ohne vorherige Anmeldung vorbeikommen.

Auch auf politischer Ebene bewegte sich einiges: Die Europäische Kommission hatte die EU Civil Society Platform against Trafficking in Human Beings gegründet, zu der zweimal jährlich rund 100 NGOs aus ganz Europa zum Austausch nach Brüssel eingeladen werden - und Herzwerk erhielt einen Mitgliedsitz. Im Jahr 2015 kam es zudem zur Gründung der Österreichischen Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel. Hier ist Herzwerk seitdem als Gründungsmitglied vertreten.

Noch immer betreute Herzwerk viele nigerianische Frauen, die entweder noch in der Prostitution tätig waren, oder sich im Ausstiegsprozess befanden. Um ihnen noch besser helfen zu können und ihre Integration in Österreich zu unterstützen, begann parallel zum “Treffpunkt” das Bildungsprogramm “Education for Integration”.

Grund zu feiern und zu kämpfen

10 Jahre Herzwerk - ein Grund zu feiern! Im Februar 2017 feierte Herzwerk mit lokalen sowie internationalen Gästen und NetzwerkpartnerInnen, was in einem Jahrzehnt alles passiert war - und das war eine Menge. Im selben Jahr wurde Herzwerk Partner im EU-geförderten Projekt “BINIs” (2017-2018), welches die Situation nigerianischer Betroffener von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung in Europa aufzeigte.

Auf ein erstes folgte kurz darauf ein zweites EU-Projekt: Im Jänner 2019 startete das Projekt “INTAP” (2019-2020), welches auf verbesserte Integrationsmaßnahmen für von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung betroffene Nigerianerinnen und Chinesinnen abzielte.

Im Jahr 2020 traf die Corona-Pandemie die Menschen in der Prostitution mit voller Wucht: Viele hatten Existenzängste und meldeten sich mit Beratungs- und Unterstützungsbedarfen. Dank großzügiger SpenderInnen kann Herzwerk bis jetzt neben den bestehenden Beratungs- und Begleitangeboten auch ganz praktisch durch die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen und Second-Hand-Kleidung unterstützen.

Aktuelles

Im Sommer 2022 hatte Herzwerk erneut einen Grund zum Feiern: Wir wurden 15 Jahre alt! Wir sind von Herzen dankbar für viele wunderbare Begegnungen, Beziehungen und Gespräche mit unseren KlientInnen sowie unseren UnterstützerInnen und NetzwerkpartnerInnen!

Unser drittes EU-Projekt, “EVI” (2022-2023), lief von Jänner 2022 bis Dezember 2023 mit Organisationen aus Deutschland sowie Herzwerks Partnerorganisation Hope for the Future: Diesmal stand das Thema Arbeitsintegration der KlientInnen im Fokus. Das EVI-Projekt zielte auf eine optimale Begleitung und Vernetzung von AussteigerInnen aus der Prostitution sowie ehemaligen Betroffenen von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung auf ihrem Weg in ein neues, sicheres Arbeitsumfeld. Eine tolle Abschlusskonferenz in Nürnberg rundete das Projekt im September 2023 ab.